Inszenierter Zyklus für Ensemble
„Vielleicht beziehen die Dinge um uns ihre Unbeweglichkeit nur aus unserer Gewißheit, daß sie es sind und keine anderen, aus der Starrheit des Denkens, mit der wir ihnen begegnen.“
Marcel Proust
DOKUMENTATION:
URAUFFÜHRUNG gesamter Zyklus: 26.1.2012, Sophiensäle Berlin, Festival Ultraschall
Mit dem ENSEMBLE ADAPTER, Dirigent: Manuel Nawri, Bühnenbild/Regie: Anna Peschke
I
Verlassene Orte / Berlin (2010) für Emre
Zu Walter Benjamins „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“
für Altflöte, Bassklarinette, Harfe, präpariertes Klavier und Schlagzeug
10′
II
Passage:
Unscheinbare Pforten / Paris (2011) für Christian
Musikalische Reaktionen auf Walter Benjamins „Zum Bilde Prousts“
für Violine, Cembalo und Schlagzeug
4′
III
Laterna magica / Combray (2011) für Gunnhildur
Zu einem Ausschnitt aus Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“
für präparierte Harfe solo, Klavier, Schlagzeug und Brummkreisel
12′
IV
a long way away (2011) für Jascha
Zu W.G. Sebalds vier Erzählungen „Die Ausgewanderten“
für Flöte(n), Klarinette(n), Violine, Cello, Kontrabass, verstärktes Cembalo, Klavier, Schlagzeug und Assistenten
15′
V
Passage:
Central Park / Manhattan oder Landzunge / New Jersey (2011) für Lotte
Musikalische Reaktionen auf Bilder W.G. Sebalds in Mirko Bonnés „Herbst in New York“
für Klavier mit Melodica, Piccoloflöte, Viola (con sordino) und Schlagzeug
6′
VI
Luftmacumba / Rio (2011) für Mirko
Zu Mirko Bonnés vierteiligem Gedichtzyklus „Luftmacumba“
für Schlagzeug solo, Bassflöte, Violine, Cello, Kontrabass, Harfe, präpariertes Klavier und zwei Assistenten
11′
VII
landscapes / desert (2010) für Holli
Musikalischer Roadtrip durch Südost-Kalifornien, Mojave desert
für Klarinette, Cello, Harfe, verstärktes Cembalo und Schlagzeug
15′
Matthias Engler über Sarah Nemtsovs Zyklus A Long Way Away. Passagen
Etwas besonders Schönes an der Musik von Sarah Nemtsov ist ihre Unvorhersehbarkeit – das Organische. Eine Situation ist da, um von der nächsten übernommen zu werden – ohne den spürbaren Zwang einer Konstruktion. Trotz einer oft hohen Komplexität des Materials ist ihre Musik immer äusserst “spielerisch” aufgeschrieben. Dies hat sicher u.a. damit zu tun, dass Sarah Nemtsov jahrelang selbst als Oboistin aktiv war. Sie hat die wertvolle Fähigkeit, sich in die praktische Situation einer Aufführung hineinzudenken. Dies spiegelt sich für uns in ihren Kompositionen positiv wider.
Mit dem Werkzyklus “A Long Way Away. Passagen” hat Sarah Nemtsov ein individuelles Großformat geschaffen, innerhalb dessen das Ensemble Adapter sich endlich großflächiger in ihrer besonderen Klangwelt bewegen konnte. Die inszenierte Uraufführung des Zyklus war ein erfüllendes Erlebnis für alle Beteiligten, eines stimmiges Miteinander von Musik und Bühne in passender Ästhetik. Auch ein wichtiger Sprung über die Barriere des so festgefahrenen 10-Minuten-Formats in der heutigen Neuen Musik.
Matthias Engler (Perkussion), Ensemble Adapter
CD “A LONG WAY AWAY. Passagen” (2010-2011) und “HOQUETI” (2011) (Ensemble Adapter; Neue Vocalsolisten Stuttgart; Portrait-CD Edition Zeitgenössische Musik, WERGO 2012)
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Sarah Nemtsov (aus dem Programmtext):
“Es handelt sich bei dem Zyklus A LONG WAY AWAY um eine musikalische Lektüre, keine Vertonung. Trotz aller Zusammenhänge und Verbindungen bleibt die Auswahl heterogen (und willkürlich), die kompositorischen Annäherungen sind subjektiv, musikalisch interessieren mich neben den Beziehungen ebenso die Brüche, das Unverbundene, die Entfernungen – a long way away.
Dennoch bilden die 7 Sätze am Ende einen Bogen, der auch von der Inszenierung gestützt wird. Die Übergänge zwischen den Teilen (und ebenso Übergänge innerhalb der einzelnen Sätze) sollen Passagen gleichen: mal aus Holz, mal aus Metall, mal aus Glas, mal aus Wort, mal aus Klang…”